zurück
 
 

Reisebericht aus dem Plastic Bomb Nummer 33 Winter 2000/2001

Dies ist ein Bericht über unsere Konzertreise nach Russland.

Mit dabei waren: Nico (Bass) Frank-Peter (Gitarre) Phill (Schlagzeug) Diana (Saufen) Andrea (dumm Tüch sabbeln) Sonja (Fotos ?!) Ritchy (Gesang und Schreiberling)

Am Anfang war da eine E-Mail von Alex mit der Frage, ob wir nicht eine Russlandtour machen wollen. Ich habe das natürlich nicht ernst genommen. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass Alex durch das Plastic-Bomb und Freunde in Berlin auf uns aufmerksam geworden war, fing ich an darüber nachzudenken, wie ein solche Tour zu organisieren wäre. Klar war, dass wir kein Geld für die Konzerte bekommen würden und das wir selbst das nicht finanzieren können. So kam ich auf die gute Idee den Deutschen Musikrat um Hilfe zu bitten. Nachdem dieser uns einen Teil der Finanzierung zusicherte und wir dank offizieller Einladung der russischen Kulturbehörde nach einem halben Jahr alle nötigen Papiere zusammen hatten, konnte es losgehen.....

Wir waren zu siebt, als wir in den frühen Morgenstunden des 20zigsten August fast pünktlich das Flugzeug in Richtung Moskau über Paris bestiegen. Sogar Phill war rechtzeitig gekommen, er hatte diesmal nur eine halbe Stunde verschlafen, aber immerhin seinen Wecker gestellt. Beim Verlassen des Fliegers am Ziel hatten wir nicht einmal die Zeit zu winken und ein obligatorisches "Hallo Russland" zu rufen., denn wir durften nicht stehen bleiben und wurden schnell zu den Kontrollpunkten geführt. Und dort mussten wir auch erst mal bleiben. Unser Gepäck lag schon verlassen neben den Bändern und wartete auf uns, als wir endlich unsere russischen Begleiter begrüßen durften. Alex, ein kleiner Riese, zu schüchtern, um einem in die Augen zu gucken, war mit drei Mann Verstärkung gekommen. Einer war nur zum Abholen dabei, die anderen waren Bai und Slava, Schlagzeuger und Gitarrist der Band "Distemper", eine ziemlich coole Skapunkband. Das Wort Skapunkband gibt es übrigens nicht in meinem Schreibprogramm, dafür aber Skatpunkband oder auch Doppelkopfpunkband, siehe auch Monopolypunkband. Tja, da kann man mal sehen, was man als Punkmusiker alles für Spiele beherrschen muss.

Nun, wir waren in Moskau und diese Stadt ist echt groß. Offiziell wohnen hier neun Millionen Menschen, inoffiziell sollen es sogar 15 Millionen sein. Die Autofahrer/innen legen ein Verhalten an den Tag, da ist "der Italiener" ein Weisenknabe gegen. Und Autos, da stockt bestimmt jedem Autoliebhaber der Atem. Uns nicht. Eher bei den ganzen Polizeikontrollen auf den Straßen. An den Straßenrändern sah man überall Händler; das obskurste, was ich sah, war eine "typische Mutter" mit drei Fischen in der Hand, die sie einem Blumenstrauß gleich hielt und offenbar verkaufen wollte. Im Verlauf der Reise stellte ich dann fest, dass einige Russinnen sogar Fische so aus ihren Handtaschen herausholen, um diese zum Verzehr anzubieten. Eigenartig.

An diesem Abend bei Bai nahmen wir selbstredend viel russisches Bier (ganz lecker, ein wenig dünn) und lecker, lecker russischen Wodka zu uns. Wir durften uns dann auch den Kreml ansehen und wurden auf dem Weg dahin zum ersten Mal kriminell. Das ist sehr lustig zu beobachten, wie aufmerksam Russen sind, wenn sie an Bäume o.ä. pissen; sie besitzen ein Frühwarnsystem ähnlich den Murmeltieren. Nach dem roten Platz durften Phill und ich uns etwas wünschen, als wir auf dem "Absoluten Nullpunkt" der russischen Raummessung standen. Das war sehr lustig, denn schließlich hieß unsere erste Band vor 12 Jahren so. Dann stellten wir fest, dass die Verständigung proportional zum Alkoholkonsum steigt, also: saufen! Das heißt im russischen übrigens: [Piet]. Dieses Hobby kann teuer sein, wenn man sich als Ausländer von den Herren in Grün (hier grau) mit den großen Mützen erwischen lässt. Die petzen aber nicht, wenn man ihnen unauffällig so ca. 200 Rubel zusteckt. Eigenartigerweise mussten die Einheimischen, die neben uns an dem Tisch tranken nichts bezahlen.....

Wir tranken bei Bai weiter und durften den "Steinkopf" kennen lernen. Ein dürrer langer Typ mit riesiger getönter Brille, der uns als der "Übersetzer" vorgestellt wurde und im richtigen Leben "Manage für Schnittblumen" ist. Mit seiner Band "der Steinkopf" durften wir am nächsten Abend in dem Moskauer "R-Club" spielen. Bei deren Konzert geschah etwas unglaubliches: sie spielten "Asozial" von Toxoplasma. "Der Übersetzer" erklärte uns nach unserem Konzert er habe ca. 12 Jahre auf ein Konzert einer Deutschpunkband in Russland gewartet. Zitat: "Ich kenn keine Worte um zu beschreiben...". Er war sehr gerührt. Wir auch.

Wie man sich denken kann, haben wir auch an dem Abend nicht wenig getrunken und so schliefen wir am nächsten Morgen erst mal richtig aus, bis endlich am späten Nachmittag ein kleiner Bus vor der Tür stand, der von einem Fahrer gefahren wurde, der ungefähr die gleichen Abmessungen wie sein Gefährt hatte. Wir wurden in Richtung Süd nach Brjansk gebracht. Aufgrund der Straßenverhältnisse dauerte die Fahr der ca. 350 km langen Strecke fast acht Stunden. Nein, uns ist nicht langweilig geworden. Oder doch? Ich weiß nicht mehr, habe ich verdrängt. Am Ziel angekommen durften Diana und ich bei unserem Gastgeber Alex und seiner Mutter übernachten. Trinken durften wir aber alle nicht mehr, dass hatte Alex uns verboten, da es am nächsten Tag sehr früh in Richtung Smolensk gehen sollte. Natürlich waren Diana und ich am nächsten Morgen die beiden Blöden, die ausgeschlafen waren. Die Fahr mit einem normalen Bus war aber echt ein Abenteuer, denn sobald alle Plätze besetzt und der Busbahnhof verlassen war, wurde an der nächsten Ecke angehalten und ungefähr noch einmal die gleiche Anzahl an Personen in den Bus gelassen, von denen während der Fahrt einige aus-, neue wieder einstiegen.

Nach einer irre langen Fahrt (ca. 7 Stunden) wurden wir wieder von sehr netten Menschen begrüßt und gleich zu dem Riesigen Zyklon B-Club gebracht. Dort sollten am Abend acht Bands aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen spielen. Das ist in Russland sehr interessant, denn dort wird nur zwischen alternativer und populärer Musik unterschieden. Das bedeutet, dass man als Punkband auch mit Heavy-Metal-, Grunge-, Gruft-, Folk- oder was auch immer für Bands zusammen spielt. Nach dem Soundcheck auf einer irre großen Bühne, auf der unter anderem auch zwei Motorräder des örtlichen Motorradclubs standen, gab es aber lange Gesichter, denn das Konzert sollte abgesagt werden, da der Tag wegen des U-Boot Unglücks zu einem nationalem Feiertag ernannt worden war. Also durften auch keine Konzerte gegeben und nur private Feiern abgehalten werden. So kam es, dass die erste Band erst gegen zehn auf der Bühne stand, nachdem auch die letzten Polizisten sich getrollt hatten. Wir hatten dann auch viel Spaß vor einem sehr gut gefüllten Saal (ca. 400 Leute). Ich hatte vorher den Text von "September" von Peter and the Test Tube Babies ins russische übersetzten lassen und zum Besten gegeben, aber ich glaube das hat eh keiner gemerkt. Die Nacht verbrachten wir bei zwei Mitgliedern von "Urban Strip", einer Band, die hoffentlich bald auch mal in Deutschland zu sehen ist.

Richtig früh (7 Uhr) ging es dann am nächsten Morgen wieder zurück nach Brjansk, wo wir am Abend auf einer kleinen Party im Aquarium spielen sollten. Diese war für die Helfer und Veranstalter der Grand Freak Show, welche am folgenden Tag stattfinden sollte. Aber erst mal sollten wir ein Museum besuchen. Dort stellten Künstler aus Brjansk, die nicht mehr in der Stadt wohnen ihre Werke aus. Uns ging es allen ziemlich dreckig, was nicht besser wurde, als wir erfuhren, dass wir dort von einem Kamerateam für die örtlichen Nachrichten interviewt werden sollten. Sozusagen eine Band aus dem Ausland soll mal was über die Kunst der Heimat erzählen. Leider haben die nicht so wirklich englisch gesprochen und auch nix von dem verstanden, was wir erzählt haben. Vielleicht war das auch besser so. Das wir dann noch ein Volkslied singen sollten, verschweige ich an dieser Stelle besser. Die haben auch nicht verstanden, dass man so was in Deutschland nicht macht und sich gewundert, dass wir über zehn Minuten brauchten um eins zu finden, was wir alle kannten. Wir nahmen "Von den blauen Bergen..." ein Lied mit amerikanischer Herkunft...

Das war so das erste Mal, dass mich dieses eigenartige "Scorpions-Gefühl" überkam. Stärker war das am nächsten Tag, als ich versuchte Kassetten mit russischer Musik auf dem Markt zu kaufen. Dort wurde ich von drei Menschen erkannt und natürlich auch zugesabbelt. Da wir die verbleibenden Tage in Brjansk verbrachten wurde das auch nicht besser. Diesen Tag, an dem auch die Grand Freak Show stattfinden sollte, verbrachten wir wie auch den folgenden damit viele viele Autogramme zu geben. Etwas was uns zwar völlig fremd ist, aber wie bitte erklärt man jemandem, mit dem man sich absolut nicht verständigen kann (es können nur sehr wenige Russen Englisch) das Autogramme völlig albern sind? So haben wir dann viele unsinnige Sätze aufgeschrieben.

Die Grand Freak Show fand in einem Kino statt und wieder spielten sehr viele Bands. Das Konzert wurde im Fernsehen übertragen und war sehr lustig, zumal auch sehr viele von den Bands kamen, die wir vorher kennen gelernt hatten. So ist es nicht verwunderlich, dass zum Beispiel Phill am nächsten Tag in den Armen eines neuen Freundes aufwachte, ein Skinhead, der ihn zwei Tage mit Fußball vollsabbelte. Mittlerweile hatten wir aber herausgefunden, dass man Wodka nicht mit Bier, sondern mit nicht alkoholhaltigen Getränken zu sich nimmt und so wesentlich mehr vertragen kann, als man denkt.

Als wir Brjansk in der Nacht zum 28. August in Richtung Flughafen Moskau verließen, hatten wir viele neue Freunde gefunden, Peter und Andrea sogar eine ganze Familie, da die Mutter ihres Gastgebers beide gar nicht mehr ziehen lassen wollte. Wir hatten festgestellt, dass man als Vegetarier in Russland schlechte Karten hat, aber ein Buch "Vegetarisches Essen für bekennende Fleischfresser" braucht ja leider keine Sau. Außerdem haben wir versprochen wieder zu kommen. Dieses werden wir auch tun. Dann bringen wir ganz viele Dixiklos mit und veschenken die als Gastgeschenke (natürlcih nur aus Egennutz, denn eineinhalb Wochen Hefetabletten machen sich bemerkbar). Das dies Nicos letzte Konzerte mit uns waren, erleichterte den Heimflug nicht wirklich.